Holgers und Pias Bohse Eurostar.


Die Geschichte um ein skurriles Gefährt, einen Landkreis flacher als Mario Barths Witze und ein Paar, dass sich einen Traum erfüllte.

Ich war gerade auf Heimaturlaub. Die Nacht war hart und lang und ich wollte an und für sich nur mal schnell Kippen kaufen, war ungeduscht und hatte nicht mal Socken an. Und so fuhr ich miefend durch die Meppener Innenstadt als ich plötzlich ein Ufo am Straßenrand ausmachte. Sofort das Auto geparkt, die Spiegelreflex rausgeholt und Bilder gemacht. Klitz, klitz, klitz machte die Kamera und ich tauchte immer weiter in die Details dieses merkwürdigen Fahrzeugs ein. Sind das nicht Lada Scheinwerfer? Hmm, die Rücklichter kommen offensichtlich auch von Lada. Und der Radstand und die Proportionen stimmen ebenfalls.
Von meinen Aktivitäten angelockt stand dann auch kurze Zeit später Holger neben mir. Was der wohl gedacht hat, als er den strubbeligen Typen neben seinem Auto herumfuhrwerken sah. Was auch immer in seinem Kopf vorging, er verscheuchte mich nicht, sondern offenbarte nach kurzem Smalltalk, in dem ich offenbar durchblicken ließ, wie cool ich das Gerät finde, dass er der Besitzer ist und dass er und seine Frau Pia ohnehin noch Bilder machen wollten. So kam nach und nach Licht ins Dunkel.
Reisen wir in das Emsland der 80er Jahre. Da gab es einen kleinen Hersteller von Spezialkarossen Namens Bohse. Dieser stellte Freizeit- und Spaßfahrzeuge her. Und der Name des Fahrzeugs lautete Eurostar. Hört sich in meinen Ohren eher nach einen Lastwagen an als nach einem Auto, welches Spaß machen sollte. Naja, so sind die Emsländer halt. Grundsätzlich haben sie gute und mitunter auch ausgefallene Geschäftsideen. Aber bei Firmen- und Produknamen sind sie so oft etwas nüchtern, wenn sie nicht gerade auf Erzeugnisse aus Haselünne* zurückgreifen.

(*Für den weniger versierten Schnapskenner: In Haselünne werden unter anderem Rosche und Berentzen gebrannt.)
Ursprünglich basierte das Auto auf dem Golf 1, von dem sich die Firma Bohse gebrauchte Exemplare zulegte. Diese mussten erstmal zerschnitten, verlängert und versteift werden, was einen hohen Arbeitsaufwand bedeutete. Zudem war die Technik natürlich nicht ladenneu. Und so machte sich Bohse auf die Suche nach einer anderen Basis. Schlussendlich wurden sie beim damaligen Klassenfeind fündig und die die Wahl fiel auf den russischen Lada Nova.

Er war robust und billig. Für knappe 5000 Mark konnte die Firma unverzollte Exemplare bei Lada beziehen. Nun hatte man einen fabrikneuen Ausgangspunkt mit den richtigen Proportionen. Wie auch beim Golf wurden Teile der Karosserie heruntergeschnitten und der Rest versteift. Zudem hielt ein Überrollkäfig Einzug und zum Schluss wurde das GFK-Häuschen übergestreift.
Der Wagen kam vom Werk aus sehr nackt daher. Luxus wie ein Autoradio, ein Verdeck oder gar Türen kosteten Aufpreis. Und so wurde dieser windige Geselle auch offiziell nur im Ausland angeboten. In sonnigen Ländern gab es durchaus einen kleinen Markt für solche Fahrzeuge. Insgesamt konnten dann auch 200 Exemplare ausgeliefert werden.
Holgers Eurostar hingegen kommt aus Kassel. Schon früh interessierte ihn der Wagen, von dem er irgendwann in seiner Kindheit mal gelesen hatte. Der Name geriet mit der Zeit in Vergessenheit, aber niemals das Auto. Und wie das so ist, rückt plötzlich ein Kindheitstraum wieder in den Fokus. Genau dann, wenn man nicht damit rechnet. Beim Stöbern in diesem ominösen Internetz stieß er auf eine Anzeige, in dem ein Eurostar inseriert wurde. Das Auto stand wie gesagt in Kassel, sollte 3000 Flocken kosten und war Holger und Pia dann doch zu teuer. Mit der Zeit sank der Preis und als er dann bei 1000 Euro angekommen war, schlug das Paar zu. Wallstreet Style, könnte man sagen. Manchmal zahlen sich Geduld und Nervenstärke eben aus.
Und das war wirklich ein guter Kauf. Technisch gab es zwar das Eine oder Andere zu machen und etwas Patina hatte der Gute auch angesetzt, aber das Ladablech unter dem Kunststoff hatte die Jahre gut überstanden. lediglich im Fußraum gab es was zu tun und ein kleiner Riss in der GFK-Karosserie musste auch geflickt werden.
Pia kümmerte sich um Detailarbeiten, während Holger sich auf die Suche nach Ersatzteilen für die Technik machte. Günstig sollte es sein und so war der erste Gedanke, dass Gebrauchtwaren eingekauft würden. Das stellte sich schnell als Blödsinn heraus, da es für den Nova alles neu für kleines Geld gibt. Und so geriet Holger in Shoppinglaune.
Inzwischen genießen die beiden ihren Targa Pickup bei gutem Wetter und manchmal auch bei schlechtem. Die Heizung hat keine Chance bei niedrigen Teperaturen, so dass man sich auch bei geschlossenem Verdeck dick einmummeln muss. Interessant ist allerdings, dass man, solange man fährt, nicht nass wird.
Tja, was ist das Beste an diesem Auto? Ist es sein Seltenheitswert? Ist es, dass er skurriler nicht sein könnte? Ist es der Freiluftspaß? Immerhin kann man Z1 like ein Bein während der Fahrt herausbaumeln lassen. Für Pia und Holger dürfte es wohl alles zusammen sein. Denn wenn die Karre läuft, der Wind durch die Haare weht und die Passanten gaffen, als wäre da gerade ein Ufo gelandet, ja spätestens dann hat der emsländische Lada gnadenlos jeden Pagoden Benz weggerockt.
PROST!
Mehr Infos zur Emsländischen Altautoszene bekommt ihr unter anderem auf www.kult-blech-szene.de - Schrauber mit Toleranz. Egal ob rattiger T2, spitzen Sierra, 1993er E-Klasse oder getunter 1er Golf. Bis auf Spielverderber sind dort fast alle willkommen.

Fotos/Text: CW

1 Kommentar:

  1. Bohse Eurostar selten aber dennoch gelungen. Vielleicht gibt es die originalen Baupläne noch irgendwo zu erwerben. Wäre mal ein besonderes Projekt.

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