Der Polo vom Chef

Während ich ganz professionell bei Instantcappucino, selbst gedrehten Kippen und einem leiernden Cash-Tape hier sitze und diesen Text schreibe, denke ich mir, dass genau das die Essenz dieses Polos sein könnte. Endlich habe ich eine Textidee! Ach ja. Es geht um den Wagen des Chefs von Bamako Motors. 

 

Den Charme einer Sparkassenfiliale Mitte der 90er. Allerdings etwas runtergekommen und in das Jetzt gerettet, ohne einmal ernsthaft gestrichen worden zu sein. Es gibt so viele grandiose Beschreibungen für diesen wunderschönen Polo. Aber diese gefällt mir richtig gut.
Da hat man gleich ein Bild vor Augen und muss sich unwillkürlich ein Gähnen verkneifen. Auch dieses leichte Unwohlsein, welches einen beim betreten dieser muffigen Einrichtungen beschleicht, ist direkt vorhanden. Dabei tut man dem Auto unrecht. Hmm, naja. So wirklich unrecht tut man ihm nicht.
Dank Gasanlage ist der Polo vom Cheffe mindestens so temperamentvoll wie die frustrierte Mittvierzigerin hinter dem Bankschalter unserer fiktiven Sparkassenfiliale. Und er versteht sich genau so gut im Geld sparen. Die Tankrechnung zaubert dem Headquarter zwar nicht gerade ein Lächeln ins Gesicht, immerhin handelt es sich um eine Rechnung, sie sorgt aber für weit weniger Sorgenfalten als bei Superbenzin. Da das Auto ein Kilometerfresser ist und täglich genutzt wird, muss das auch so sein.
Eine sichere Bank ist das Steilheck ohnehin. Technisch befindet es sich in einem ziemlich guten Zustand und dank volkswagenseitiger Rostvorsorge steht es auch noch gut im Blech. Ich, als eher Richtung Schweden oder Rüsselheim gepolter Mensch, muss das ja auch mal neidlos anerkennen. Golf 2 oder eben Polo 2 sind wirklich sehr dankbare Autos und gehören mit zu dem besten, was Langzeithaltbarkeit angeht. Und es tut nur ein ganz bisschen weh, das zuzugeben.
Für den Fall, dass da doch mal was zu Bruch geht, hortet der Besitzer genug Ersatzteile um sich mindestens einen weiteren Polo zusammenzuschweißen. Bitte wörtlich nehmen. In den Katakomben der Bamako Motors Doppelgarage lagert der Legende nach ein in Einzelteile zerflextes weiteres 86c Steilheck. Sicher ist sicher.
 Das dachte sich auch das Headquarter und verbesserte kurzerhand den Rostschutz um geschätzte 1000 weitere Lebensjahre. Fluid Film und Perma Film sei dank!
Das der weiße Wolfsburger im Vergleich zu den restlichen Bamako Karren sehr dezent daher kommt fällt schon wieder auf. Er ist schlicht das Arbeitstier und keine Showkarre. Dabei sah er zwischenzeitlich wesentlich rattiger aus und wurde schließlich zurück gerüstet. Der Grund ist auch hier wieder die gesteigerte Alltagstauglichkeit. Fällt man weniger auf, kommt man auch ungestörter von A nach B. Und man muss im Daily ja auch nicht immer im Mittelpunkt stehen. Original ist das Auto trotzdem nicht. Die fette Beule im rechten Seitenteil, notdürftig geflickt mit dem, was gerade an Farbe da war, stammt vom Vorbesitzer und hat natürlich weitere Euros bei der Anschaffung eingespart.
Als Bastler kann man selbstredend nicht alles original lassen. Darum ist das Innere auch den Bedürfnissen angepasst. Käferlenkrad, verlängerter Schalthebel und Käferknauf. Außerdem ist der Beinfahrersitz rausgeflogen. Wer braucht den schon? Dafür hat man nun viel mehr Ladekapazität oder wahlweise genug Platz für den selbst gemachten Cupholder.

Wer weiß. Eventuell wird die Kiste ja mal so ein Experiment nach dem Motto „Wie lange lebt ein Auto?“ und er sieht auch in zwei Dekaden noch so aus wie jetzt. Ähnlich wie bei diesen Angestellten in den Geldinstituten, bei denen man sich nach jedem Besuch wundert, dass die schon mindestens 30 Jahre wie 50 aussehen.


Text/Bilder: CW
Gegengelesen von Simon

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