Nina und „Church“, ihr W123 Pollmann Bestatter 

Man muss ja nicht immer alles verbasteln. Besonders wenn man etwas besonderes hat. Und manches ist von Natur aus schon so schön, dass es auch gar nicht nötig ist. Wie Church, Ninas, W123.

Leichenwagen sind etwas Besonderes. Jeder für sich ist ein Einzelstück, und egal, ob man diesen noch weiter individualisiert oder ihn im Originalzustand erhält, man hat die Gewissheit, etwas Einzigartiges zu bewegen. Das obendrein noch besonders praktisch ist. Kistenweise Bier für die Party? Ein Studentenumzug in die neue WG? Feuerholz für den Winter rankarren? Kein Problem. Da kommt nicht mal ein Volvo 740 mit. Nachdem ich nun die Vorzüge dieser überaus praktischen Fahrzeuggattung aufzählte, nun die schlechte Nachricht: Für all das missbraucht Nina ihr Schätzchen in der Regel nicht.
Doch keine Angst, zu sehr verhätschelt wird der Großraumkombi auch nicht. An schönen Tagen nimmt sie die 100 Kilometer zur Arbeit mit dem Benz in Angriff, auf Treffen und Veranstaltungen kommt der Wagen natürlich ebenfalls mit. Je nach Anlass wird dann darin geschlafen. Und so addieren sich die einen oder anderen Tausend Kilometer jedes Jahr auf den Tacho.
Moment? Je nach Anlass wird darin geschlafen? Ja, denn wenn Nina ihren Sarg dabei hat wird natürlich nicht im Auto genächtigt. Zu wenig Platz und im Sarg schläft man noch früh genug. Die Kiste hat sie zu Demonstrationszwecken dabei. Erstens vervollständigt er das Bild und zweitens kann sie so die Funktionsweise des Be- und Entladens demonstrieren. Da Nina leider bei unserem Shooting den Sarg nicht dabei hatte, beenden wir aber besser mal das Thema. Das Dingen ist ja auch sackschwer und steht zuhause im ersten Stock. Da kann man ihr auch verzeihen, dass sie wenig Lust hatte, Möbel zu schleppen.
 Der Mercedes ist übrigens ein Basismodell. Gut, er hat neu trotzdem umgerechnet knappe 25.000 Euro gekostet, was heute zwar nicht viel ist - dafür bekommt man aus deutscher Produktion gerade mal nen Kleinwagen - damals, anno 1980, aber schon eine Stange Geld war. Basismodell bedeutet in diesem Fall, dass es zum Beispiel keinen Sargschlitten gibt, sondern nur zwei am Boden verschraubte Holzleisten, welche die Kiste in Position halten. Ein anderes Element wäre das „Vinyldach“. Das ist werksseitig gefakt und nur mit Strukturlack auflackiert. Ein Detail, was nur auf den zweiten Blick auffällt. Merke: Auch wenn man spart, darf der Stil nicht leiden.
Bremslicht aus? Knopfdruck genügt.
Richtig genial ist das Bremslicht, welches man auf Knopfdruck deaktivieren kann. Ist sogar eingetragen und konnte so geordert werden. Das ganze hatte ursprünglich den Sinn, dass bei Trauerzügen nicht permanent die Bremslichter aufblitzen.
Und wo wir gerade beim „Aufblitzen“ sind. Das machen auch Ninas Augen, wenn sie von ihrem Mercedes redet. Wie kommt man als junge Frau dazu, einen Leichenwagen zu fahren? Angefangen hat die Faszination für das Morbide, als Nina mit zarten 10 Jahren anfing, Bücher von Stephen King zu lesen. In den folgenden Jahren begann die Saat Früchte zu tragen und so entdeckte sie mit der Zeit ihre Liebe zu Metal, Horrorstreifen, Tattoos und eben Bestattungswagen. Beruflich schlug sie obendrein einen passenden Weg ein und wurde Medizinisch-Technische-Laborassistentin. Vom Ehrgeiz gepackt setzte sie eine Zusatzausbildung als Sektions- und Präparations-Assistentin obendrauf und ist nun in der Pathologie eines Krankenhauses tätig. Respekt vor Leuten, die sich ihren Traum erarbeiten.
2006 kaufte sich Nina dann ihren wahren Traumwagen. Auch ein Mercedes /8 mit Pollmann Aufbau. Leider hatte dieser zu viele Baustellen, um die sich gekümmert werden musste und die sie nicht alleine stemmen konnte. Weder handwerklich noch finanziell. Also musste Ersatz her. Zunächst ein Audi 100 und nun Chruch - der W123, der seit 2010 in der Einfahrt steht.

Nina möchte ihren Chruch, benannt nach der Katze aus Friedhof der Kuscheltiere, so original wie möglich erhalten. Es geht ihr nicht darum, Eindruck zu schinden. Viel mehr möchte sie den einzigartigen Transporter erhalten und ihm seine Würde lassen. Recht hat sie. Denn rockige Bestattungsfahrzeuge gibt es zur Genüge. Da darf man auch mal einen lassen wie er ist. Vor allem, da Nina auch für Veranstaltungen wie beispielsweise am Tag der Offenen Tür beim Bestatter zur Verfügung steht. Zusammen mit Bekannten und Freunden aus dem Leichenwagenforum. Und da möchte man nicht negativ auffallen.
Nina ist auch einfach nicht der typische Selbstdarsteller. Ihren Alltagswagen hat sie zwar matt gerollt und einen Totenkopf drauf gemalt, aber sie kann auch gut drauf verzichten. So ein Bestattungsfahrzeug spricht ja auch für sich.


Text/Bilder: CW

2 Kommentare:

  1. RATZ FATZ Bestattungen - wir bringen Sie noch WARM unter die Erde :-D
    Mag ich sehr. Nina... und den Wagen. Herr King las ja erst jüngst aus seinen Werken in Hamburg, möge die Dame weiter unbebremsleuchtet glücklich durch die Welt gleiten.

    Sandmann

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  2. Grüße aus Essen vom Schwesterfahrzeug, Jezebel - W123 Pollmann, erste Serie 7/1977, 87TKM, 230-Benziner, Originalzustand. Und nun weiß ich auch, wofür die beiden Schalter sind :)

    Frank

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